02.07.2002 - Der Standard
Immer wieder kunstsalonfähig
Totgesagte leben länger, auch in der Kunst. Wer malt das Bild nach dem sprichwörtlichen "letzten Bild"? Diverse Ausstellungen in Europa - in Basel, Paris und Wien - feiern nun auf unterschiedliche Weise die "Malerei im Aufbruch". Eine Bestandsaufnahme.
Grundgütiger, wie viele Bilder nach dem "letzten Bild" sind schon gefertigt worden, geriffelt, gestreift, geschlitzt, aus kontaminiertem Altöl gegossen oder mittels Hubba-Bubba-Kaugummi zusammengeklebt? Und immer wieder wird der Tod und dann wieder eine Renaissance des Tafelbilds ausgerufen, neue Medien hin, Installationen her. Tatsächlich beschäftigt diese Frage eigentlich die Kunstapologeten. Denn der Großteil der Menschen hängt sich am liebsten Malerei "über das Sofa", hat immer schon Malerei gekauft. Oder ersteht auch - wie die Messe Basel kürzlich zeigte - Fotografien, die Malerei imitiert, oder Malerei, die Fotografie imitiert.
Aber bei den illustrierten Gedanken ums Tafelbild anhand ausgesuchter Beispiele wieder einmal zuzuschauen, macht durchaus Vergnügen - und das dokumentieren zwei große Ausstellungen in Basel sowie Paris. Auch Biennale- Sao-Paulo-Kommissärin Zdenka Badovinac machte sich anhand der Sammlung Essl Bilder zum Thema (ab Mitte Juli). Zufall oder gar gleich ein Gegenpol zur ernsten, film- und theorieorientierten Documenta 11?
Staatstragend angelegt hat man die Chose in Basel. Gleich in drei städtischen Museen steht noch bis 8. September Painting on the Move zur Debatte. Wobei das Kunstmuseum anhand von Spitzenwerken ein ganzes "Jahrhundert der Malerei" in größtenteils witzigen Konstellationen Revue passieren lässt - Picasso neben Pollock, Gerhard Richter neben Kounellis. Das Museum für Gegenwartskunst fokussiert auf "Es gibt kein letztes Bild" (Malerei nach 1968).
Den zeitgemäßesten, erfrischendstenTeil kuratierte der designierte Joanneum-Chef Peter Pakesch für "seine" Kunsthalle Basel. Abstraktes ist kaum zu finden, Figuration und Porträt überwiegen. Auch dazu gibt es wieder gegenteilige Ansätze, so hat David Hammons für die Wiener Galerie König eine Schau mit drei abstrakten Malern kuratiert, um den in Zusammenhang mit schwarzer Kunst oft gehörten Gemeinplatz des "oberflächlich Narrativen der afroamerikanischen Kunst" zu konterkarieren.
Neben nahezu klassischen Positionen wie die vielteiligen Porträts eines Chuck Close behaupten sich in der Kunsthalle Szenen der in Wien lebenden Deutschen Kathrin Plavcak, Thomas Eggerers absurd-abstrakte Erzählungen oder die menschenleeren Architekturen eines Martin Kasper - eine Entdeckung in Basel. Steht man allerdings vor Kokoschkas 1913 wie erst gestern gemalter Windsbraut, verblassen viele Jungsterne.
Stefan Rothleitner, Wiener Kunstkonsulent, beobachtete mit Zufriedenheit, dass die Malerei die tragende Rolle in der zeitgenössischen Kunst in den letzen Jahren zurückerobert habe: "Besonders die junge Künstlergeneration greift dieses Thema wieder auf und führt es in logischer Konsequenz weiter - ohne dabei den Blick auf große Vorbilder zu verheimlichen."
"Spaß-Rebellen"
"Cher Peintre..." im Centre Pompidou fasst wiederum Malerei mit "Entertainment- Qualitäten" zusammen (bis 2.9.). Den neuen Spaßfaktor in diesem Medium - der Spiegel spricht von einer "Attacke der Spaß-Rebellen" - belegen etwa Arbeiten eines Kurt Kauper, der Cary Grant in hyperrealistischer Lebensgröße lässig am Kamin posieren lässt. Dort, wo in den Hollywood-Fifties die Badehose saß, bleibt weiße Haut und Nacktheit. Abstraktion stand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für Avantgarde, Realismus galt als gestrig. Dem widersetzte sich etwa Francis Picabia, der Bilder nach Pornoheften anfertigte. Da hilft dann wieder einmal der Kontext, um sie entweder in der Rubrik "Kunstgeschichte" zu verewigen oder wie die vielen Beispiele anderer unter "Montmartre-Kitsch" abzulegen.
Pop und Comics stehen thematisch an oberster Stelle bei dieser Schau, die unter dem Titel Lieber Maler, male mir ... im Herbst in die Kunsthalle Wien gelangt.
Kontext, Geschichte, Auslegung: Ein Maler scheint überall hinzupassen - er konterkariert die Ismen, die im Gegensatz zur Malerei wirklich ausgedient haben: Der Belgier Luc Tuymans, der etwa mit eisigen Bildern die belgische Kongo- Politik alles andere als platt- vordergründig illustriert und kritisiert, stellt in Paris aus, ebenso auf der vorjährigen Biennale Venedig wie auf der diesjährigen Documenta.
Doris Krumpl/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2002